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Wird der MSCI World Index zum Problem für Anleger?

Der MSCI World Index hat unter Anlegern Kultstatus – und wird doch zum Problem. Er ist die erste Messlatte für globale Aktien Investments und zahlreiche ETFs folgen diesem Index. Wir hatten bereits vor zwei Jahren auf die Risiken dieses Indexes hingewiesen, die seitdem manifest geworden sind. Hier lesen Sie unser Update. 

MSCI World: Kultstatus dank Outperformance

Beim MSCI World Index geraten Anleger ins Schwärmen: Er investiert in 23 entwickelte Märkte und streut sehr breit auf über 1.500 Aktien, sodass unternehmensspezifische Risiken kaum ins Gewicht fallen. Ein Welt-Index wie er im Buche steht, für ETFs wie gemacht. Aber Hand aufs Herz, darum geht es den Fans des MSCI World Index nicht.

Wer die Diversifikationsqualität des MSCI World lobt, meint in Wahrheit die Vergangenheits-Performance. Die nachfolgende Grafik erklärt, warum der MSCI World bei einer großen Fangemeinde auf dem Höhepunkt des Anleger-Olymp angekommen ist: Zusammen mit dem US-Aktienmarkt hat der MSCI World so ziemlich alle Aktienindizes in den vergangenen Jahren hinter sich gelassen. Wir haben bereits vor zwei Jahren auf die gestiegenen Risiken beim MSCI World Index hingewiesen. Heute wollen wir eine erneute Bilanz ziehen und auf eine schleichende Wertvernichtung bei MSCI World Investments gegenüber anderen Märkten hinweisen, die allerdings weitgehend unbemerkt vonstatten geht. 

MSCI World Index: 20 Jahre Outperformance

Rollierende Fünfjahres-Renditen in Ein-Monats-Sprüngen zwischen Mai 2003 und April 2023, jeder Punkt repräsentiert den Endpunkt einer Fünfjahres-Periode, annualisiert, in Prozent und in Euro, Stand: 30.4.2023, Quelle: Morningstar 

Wer MSCI World sagt, meint US-Aktien

Die obere Grafik ist etwas gewöhnungsbedürftig für Anleger. Sie zeigt keinen klassischen Performance-Chart, sondern eine Vielzahl von Performance-Perioden an, die wir aneinandergereiht haben. Jede Periode ist fünf Jahre lang und steht für eine typische mittelfristige Investitionsphase. Dabei haben wir neben dem MSCI World auch Investments in den DAX, den Euroland-Index MSCI EMU, den MSCI Emerging Markets und den S&P 500 simuliert. Abgebildet sind 240 Einzelperioden, der dargestellte Kurvenverlauf vollzieht sich in Monatssprüngen für die Zeit seit Juni 2003. Jeder der kleinen Punkte in der Grafik zeigt den Endpunkt einer fünfjährigen Performance-Periode für jeden der fünf Indizes an.

Zwei Linien sind besonders wichtig: die blaue Linie, die die Performance des USA-Aktienindex S&P 500 abbildet und die grüne Linie, die die Renditen des MSCI World abbildet. Fangen wir mit der blauen Linie an. Der S&P 500, der die größten 500 US-Unternehmen zusammenbringt, hätte seit Juli 2007 in fast jeder Fünfjahres-Periode die anderen Indizes überwiegend mit großem Abstand übertroffen. Besonders seit 2012 fällt der Abstand groß aus. 

Kommen wir nun zur grünen Linie. Die Performance-Kurve des MSCI World fällt flacher aus als die des S&P 500, aber der Welt-Index konnte DAX, MSCI Emerging Markets und die im MSCI EMU vertretenen Euroland-Aktien in der Mehrzahl der Investment-Perioden seit 2003 outperformen. Anleger, die zu verschiedenen Zeitpunkten seit 2003 für fünf Jahre in ETFs auf den MSCI World investiert haben, konnten in den meisten Perioden eine deutlich bessere Performance erzielen als Anleger, die seit 2003 in Euroland-Aktien, Emerging Markets oder den DAX investiert haben. Warum war das so?

Nun, der MSCI World weist seit jeher ein hohes Gewicht an US-Aktien auf. Das ist der Grund für den Gleichklang zwischen MSCI World und S&P 500. Wenn also der US-Aktienmarkt deutlich besser läuft als der europäische, dann wird sich das in der Performance des MSCI World widerspiegeln. Und mit jeder Outperformance von US-Aktien gegenüber europäischen und japanischen in den vergangenen Jahren ist das Gewicht der USA im MSCI World größer geworden – 2011 lag das USA-Gewicht im MSCI World bei rund 50 Prozent; aktuell sind es über 67 Prozent. Die Hausse hat die Hausse genährt.

MSCI World Index heute: Problembär statt Performance-Bringer

Doch was lange Jahre gut geklappt hat, ist in den vergangenen Monaten mächtig schief gegangen. Im Jahr 2022 haben US-Aktien stärker korrigiert als deutsche, europäische und japanische Aktien, und 2023 fiel ihre Erholung geringer aus. Hinzu kam, dass ein weiterer langjähriger Trend kippte: Der Dollar hat in den vergangenen Monaten gegenüber dem Euro deutlich nachgegeben, was US-Aktien in den Portfolios von Euro-Anlegern kräftig ausgebremst hat. US-Aktien haben in unseren Portfolios auch von der Währungsseite Performance-Stress bekommen.

Die nachfolgende Grafik zeigt, dass in den vergangenen zwölf Monaten DAX und der Euroland Index MSCI EMU US-Aktien, Emerging Markets Aktien und den MSCI World deutlich outperformt haben.

Einjahres-Performance in Prozent und in Euro 

 Stand: 5.5.2023, Quelle: Morningstar 

Fazit: Strukturelles oder zeitliches Problem?

Natürlich wissen wir nicht, ob die markante Schwäche von US-Aktien und des US-Dollar gegenüber europäischen Assets weiter fortbestehen wird. Europa hat als Wirtschaftsstandort Nachteile mit Blick auf Zukunftstechnologien gegenüber den USA (und China). Die Eurozone hinkt den USA zudem im Zinszyklus deutlich hinterher und der russische Angriffskrieg belastet Europa und seine Unternehmen mehr als die in Summe stärker binnenwirtschaftlich ausgerichteten US-Unternehmen. Dem steht die vergleichsweise hohe Bewertung von US-Aktien gegenüber. Während der DAX ein (TTM) KGV von 12,5 hat, bezahlen Anleger den 21-fachen Jahresgewinn im S&P 500; der NASDAQ 100 weist sogar ein KGV von knapp 30 auf.

Aber es soll hier nicht um kurzfristige Aktienprognosen gehen, die ohnehin nicht mehr als Kaffeesatzleserei sind. Es geht darum, dass Anleger die Klumpenrisiken im MSCI World erkennen und eine bessere Diversifikation vornehmen. Das bedeutet Abschied zu nehmen von einer unterkomplexen Ein-ETF-Strategie („MSCI World ETF und fertig ist die Laube!“) und stärker der Breite der globalen Märkte im Portfolio Raum geben.

Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken, wäre eine stärkere Gleichgewichtungsstrategie auf Regionen-Ebene zu fahren und dabei etwa den US-Anteil gegenüber anderen Anlageklassen (Emerging Markets, Japan, Asien, Europa) zu reduzieren. Denn wer in den vergangenen zehn Jahren naiv auf US- und Weltaktien setzte, hat zwar lange Zeit Traumrenditen eingefahren; die scharfe Underperformance von US-Aktien in den vergangenen 18 Monaten zeigt jedoch die Risiken einer zu geringen Diversifikation. Anleger sollten besser streuen und sich nicht von Vergangenheitsrenditen blenden lassen.

Über den Autor

Ali Masarwah ist seit Mai 2021 als Partner und Fondsanalyst bei der digitalen Plattform envestor.de tätig, wo er Anleger-orientiertes Research verfasst und bei der Weiterentwicklung von Tools und Investment-Lösungen für Privatanleger mitwirkt. Envestor.de ist eine auf Investmentfonds spezialisierte Vertriebsplattform, die Selbstentscheidern einen Großteil der laufenden Vertriebsgebühren von Fonds erstattet, was ihre Ertragschancen verbessert. Zuvor war Ali Masarwah zehn Jahre lang Mitglied im europäischen Research Team von Morningstar und zugleich als Chefredakteur für die Personal Finance-Websites von Morningstar Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich. Nach seinem Volontariat bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX in Berlin leitete er von 2001 bis 2003 bei der Finanznachrichtenagentur vwd die Fondsredaktion. Von 2003 bis 2011 war er Redaktionsleiter beim portfolio Verlag in Frankfurt, wo er die journalistische Verantwortung für alle Magazine und Websites des Verlags innehatte.

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