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Quo Vadis Altersvorsorge? 

Der Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge ist da. Was das für die Altersvorsorge in Deutschland bedeutet. 

Die Älteren von Ihnen kennen den Monumentalfilm „Quo Vadis“ aus dem Jahr 1951 vielleicht noch. Einer der Höhepunkte des Films ist der von Nero (gespielt vom großartigen Sir Peter Ustinov) gelegte Brand, um ein neues Rom zu erschaffen.

An einem ähnlichen Punkt befinden wir uns im Bereich der Altersvorsorge in Deutschland.

Sowohl die gesetzliche Rente, die betriebliche Altersversorgung als auch das private, geförderte Sparen (u.a. Riester-Rente) stehen seit Jahren derart in der Kritik, dass die Ampel-Regierung um einen Neustart nicht mehr umhinkommt. Daher wurde schon im Koalitionsvertrag vereinbart, eine
„Fokusgruppe private Altersvorsorge“ einzusetzen, die das bestehende System bewerten und vor allem neue Vorschläge zur Änderung erarbeiten sollte. Eben dieser Bericht der Fokusgruppe ist Mitte Juli erschienen.

Meine Erwartungen an Berichte von Fokusgruppen und Kommissionen ist auf Basis der Erfahrungen der letzten Jahre ziemlich gering. Zu viel Papier mit zu wenig bis hin zu keiner Aussage wurde bisher zur Altersvorsorge in den letzten Jahren produziert.

Aber dieser Bericht hat dann doch das ein oder andere Highlight. Ohne dabei ein großer Wurf für die Altersvorsoge in Deutschland zu sein (was aber vermutlich eher ein Problem meiner naiven Erwartungen ist…).

Die wesentlichen Aspekte des 131 Seiten starken Berichts versuche ich an dieser Stelle kurz zusammenzufassen.

Das Vernünftigste aus dem Bericht:

1. Halleluja, es ist jetzt endlich bei der Politik angekommen: Garantien taugen nicht für die Altersvorsoge und sollten in Produkten reduziert oder gar ganz weggelassen werden. Und das wird erstaunlich oft im Bericht erwähnt. Gefühlt hält nur noch der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) an Garantien fest. Klar ist aus unserer Sicht: Garantien müssen zu einer frei wählbaren Vertragsoption werden – und nicht zur Regel in Altersvorsorgeverträgen. So haben nicht die hohen Kosten den größten Schaden an der Riester-Rente angerichtet – sondern die fast nicht vorhandenen Renditechancen aufgrund der hohen Garantien. Das wiegt in der Gesamtbetrachtung schwerer als die (sicherlich teilweise auch) hohen Kosten. 

2. Hinzu kommt, dass ein staatlich organisierter Fonds für die Altersvorsorge abgewendet wurde. Das schmerzt vor allem die Verbraucherschützer und einige politische Parteien, die massiv auf eine staatliche Lösung gepocht haben. 

Für mich die entscheidende Frage: ist der Staat wirklich der bessere Kapitalanleger? Und agiert der Staat bei Kapitalanlageentscheidungen auch immer im Sinne der Sparer? Hinzu kommt, dass der freie Wettbewerb zugunsten der Verbraucher funktioniert – wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Die Kosten von Fonds und Vorsorgeprodukten sind über die letzten Jahre teils massiv gesunken. Zwar gibt es immer noch zu viele teure und ineffiziente Produkte, aber wer sich ein wenig mit seinen Finanzen auseinandersetzt, kann diese schnell erkennen und auf mittlerweile extrem günstige Alternativen zugreifen. Es wäre letztlich auch schwer zu erklären gewesen, was der staatliche Fonds besser macht als ein kostenfreier ETF-Sparplan in makelloser Nutzerführung, der bei einem Neo-Broker jetzt schon kaum mehr als 20 Basispunkte (inklusive ETF) kostet. 

3. Die Riester-Rente wird reformiert. Viele (wenn auch nicht alle) Punkte, die von den meisten Verbänden gefordert wurden, sollen umgesetzt werden. So soll die Riester-Rente sinnvollerweise für Selbständige geöffnet (die aktuell keine Förderung erhalten) und die Garantiepflicht abgeschafft (oder zumindest reduziert) werden. An eine generelle Vereinfachung der Fördersystematik (50 Cent Förderung pro gezahltem Euro), die im Gespräch war, hat man sich nicht herangetraut. Trotzdem könnte aus der Riester-Rente mit den geplanten Maßnahmen wieder ein vernünftiges Produkt werden – sofern die Garantie auf freiwilliger Basis vom Kunden wählbar bleibt und Renditechancen nicht verhindert. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die im Bericht genannten Reformen reichen, um den Ruf der in der Öffentlichkeit ziemlich ramponierten Riester-Rente wiederherzustellen. 

Das Überraschendste an dem Bericht:

Man sieht dem Bericht und den Ergebnissen ganz deutlich die Handschrift des Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) (sprich: des Verbandes der Fondsindustrie) an. Glückwunsch an den Präsidenten des BVI, Thomas Richter (der die Verhandlungen begleitet hat) und dem BVI-Team, die sich mit der Forderung nach einem „Altersvorsorgedepot“ durchgesetzt haben. Dieser Vorschlag soll der Regierung vorgelegt werden. Was aber nicht heißt, dass das auch so umgesetzt wird.  

Aber nicht nur das. Auch die Verrentungspflicht für geförderte Produkte soll fallen. Dieser Satz aus dem Bericht dürfte der Versicherungslobby schwer in der Magengrube liegen:

Die private Altersvorsorge würde insoweit den Anspruch aufgeben, das versicherungsmathematische Langlebigkeitsrisiko verpflichtend abzusichern“

Oder anders gesagt: die Rente muss nicht mehr lebenslang reichen, wenn der Sparer das nicht will. Eine weitere „Bastion“ neben der Garantie und der steuerlichen Bevorzugung der Lebensversicherungsbranche fällt somit.

Überraschend ist auch, dass die Fokusgruppe fordert, die Transparenz und Digitalisierung zu stärken. Beispielsweise um mehr und bessere Informationen für Kunden zur Verfügung zu stellen. Denn auch hier ist die Branche noch meilenweit von einem vernünftigen, digitalen Angebot für Kunden entfernt. 

Das Enttäuschendste an dem Bericht:

Mehr Mut bei den Vorschlägen wäre schön gewesen. Böse gesagt, wird das 3-Schichten-Modell durch die mögliche Einführung eines „Altersvorsorgedepots“ ja noch komplexer. Es wäre schön gewesen, den „Wildwuchs“ an Produkten in diesem Rahmen zu konsolidieren. Beispiel: Wenn die Riester-Rente zukünftig auch Selbständigen offensteht – warum dann noch an einer Rürup-Rente festhalten, wenn man dann gleichzeitig auch den steuerlichen Höchstbetrag für beide Produkte angleicht? Von den fünf Durchführungswegen in der bAV fange ich am besten gar nicht erst an (und war auch nicht das Thema der Fokusgruppe). Ein Mechanismus, der für jede neue Einführung eines Produktes dazu führt, dass zumindest ein altes gestrichten wird, wäre wünschenswert.

Zusammenfassend gesagt, ähnelt der Kommissionsbericht eher einem „Facelifting“ als einem „Abbrennen“ des bestehenden Systems der Altersvorsorge. In vielen Teilen sinnvoll und nötig – aber für ein „neues Rom“ gehen die Vorschläge nicht weit genug.

Nero hätte jedenfalls deutlich mehr daran gezündelt.

PS: Historiker sind sich übrigens mittlerweile darin einig, dass Nero fälschlicherweise der Brand Roms unterstellt wurde. Es gibt Makel, die man nie wieder los wird…

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