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House of Cards in der Altersvorsorge – oder wie aus politischen Motiven die Reform der Riester-Rente in letzter Sekunde scheiterte!

Da kam er nun Anfang November: der (schon lange erwartete) Bruch der Ampel-Koalition. Verbunden mit Neuwahlen im Februar. Und betrachtet man die Umfragen, so werden auch viele Bundesbürger der Ampel-Koalition nicht nachtrauern. Doch besteht nicht unbedingt Grund zur Freude. Denn der Bruch der Koalition bedeutet zunächst einmal auch: Stillstand.

Besonders bitter ist, dass sehr sinnvolle Gesetzesvorhaben kurzfristig nicht mehr in die Umsetzung gelangen können. Darunter auch eines der wenigen Projekte der Ampel, das fast durchweg von Presse, Verbraucherschützern, Marktteilnehmern, Experten und Verbänden positiv bewertet wurde: die Einführung des Altersvorsorgedepots. Oder, in vielleicht weniger klangvollen Worten, die lange erwartete Reform der Riester-Rente.

Selten gab es medial so positive Resonanz zu einem Referentenentwurf im Bereich der privaten geförderten Altersvorsorge wie beim Altersvorsorgedepot. Die FDP sprach nicht weniger als von einem „Gamechanger“ in der deutschen Altersvorsorge.

Tatsächlich waren auch wir bei myPension von dem am 30. September veröffentlichten Entwurf sehr positiv überrascht. Der längst überfällige Schritt hin zu einer notwendigen Reform der bisherigen Riester-Rente schien endlich Realität zu werden. Auch wenn es zum „Gamechanger“, wie von der FDP tituliert, unseres Erachtens noch an einigen wesentlichen Aspekten fehlte. Und doch hatte es der Referentenentwurf in sich:

  • Wegfall der verpflichtenden Beitragsgarantien: Endlich hatte sich eine politische Partei dazu durchgerungen, den destruktivsten Aspekt der Riester-Rente weitestgehend zu streichen. So sollte für das Altersvorsorgedepot keine Garantie gelten. Lediglich Versicherer hätten weiterhin 80 % bzw. 100 %ige Beitragsgarantien anbieten können. Endlich hätte man Produkte anbieten können, die tatsächlich attraktive Renditechancen geboten hätten.

  • Wegfall der Verrentungspflicht: Der vermutlich umstrittenste Punkt. Denn die von der Regierung eingesetzte Fokusgruppe bemängelte nicht nur die Garantien in der Ansparphase, sondern auch in der Rentenphase. Hier gibt es kaum Angebote auf dem Markt, die ansatzweise Renditechancen versprechen. Ein mutiger Schritt, da nun auch Auszahlpläne bis mindestens zum 85. Lebensjahr möglich gewesen wären. Mehr Flexibilität und mehr Wettbewerbsdruck in der Rentenphase wären die Folge gewesen.
  • Beitragsproportionale Förderung und Erhöhung der Förderhöchstgrenze: Statt 2.100 € sollten zukünftig bis zu 3.000 € (bzw. ab 2030 sogar 3.500 €) jährlich förderfähig sein. Eine deutliche Erhöhung, wenn auch aus unserer Sicht nicht hoch genug. Durch die beitragsproportionale Förderung wäre die lästige jährliche Beitragsberechnung weggefallen, und mehr Zulage wäre direkt im Vertrag gelandet.

Wie üblich bei einem Referentenentwurf wurden alle relevanten Verbände und Verbraucherschutzorganisationen um eine Stellungnahme gebeten.

Als Fachsprecher für das Thema Altersvorsorge des größten deutschen Mittelstandsverbands (BVMW) hatte ich ebenfalls die Gelegenheit, eine Stellungnahme zum Referentenentwurf an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) für das pAV-Reformgesetz einzureichen. Für interessierte Leser geht es hier zur Stellungnahme.

Im BVMW bemängelten wir insbesondere, dass der Reformvorschlag Selbstständige und andere Steuerpflichtige nach wie vor nicht in die Förderung einbezogen hätte.

Ein Gesetz zur Reform der geförderten privaten Altersvorsorge, das durch Steuermittel finanziert wird, aber Selbstständige (die selbstverständlich auch zum Steueraufkommen beitragen) ausschließt, fanden wir nicht nachvollziehbar. Denn die Förderung wird auch von Selbstständigen dringend benötigt.

Durch die Einbeziehung von Selbstständigen (bzw. allen Steuerpflichtigen) wäre die komplizierte und enorm verwaltungsaufwendige Prüfung, ob es sich bei einem Sparer um einen „unmittelbar“ oder „mittelbar Förderberechtigten“ handelt, weggefallen. Das Altersvorsorgedepot wäre so auch deutlich einfacher und verständlicher geworden, und etwaige Zulagenrückbuchungen, die in der Vergangenheit zu hohem Frust bei Sparern führten, wären entfallen.

Zudem sollte ein relevanter Teil der Förderung nicht in Form von Steuererstattungen wieder an die Sparer ausgezahlt werden. Die staatliche Förderung gehört aus unserer Sicht vollumfänglich in den Vertrag – und sollte nicht wieder auf das Konto der Sparer zurückfließen.

Weiterhin plädierten wir für eine fixe Mindestförderquote von 50 % und eine festgelegte Besteuerungsquote im Alter. Sprich: Wir forderten mindestens 50 Cent Förderung für jeden gezahlten eigenen Euro, und die Steuerlast sollte im Alter nicht über 25 % liegen. Der Grund dafür: Die heutigen Förderquoten sind gerade bei durchschnittlichen Einkommen in der Ansparphase zu niedrig (ca. 25–35 %). Und im Alter kommt man schnell auf einen Steuersatz von über 25 %, sodass letztlich die in der Ansparphase gewährte Förderung durch die vergleichsweise hohe Besteuerung im Alter aufgefressen wird. Unser Vorschlag ist dabei sehr einfach und leicht verständlich. Wer mehr dazu hören möchte, findet weitere Details in einem Interview, das ich mit ExtraETF dazu geführt habe.

Und siehe da: Viele der Punkte, die von den Verbänden und Verbraucherschützern angemerkt wurden, fanden sogar Einklang im Gesetzesentwurf. So unter anderem auch die Einbeziehung der Selbstständigen. Es lag tatsächlich Großes in der Luft: eine Reform, die den Namen wirklich verdient hätte. Ein echter „Gamechanger“. Ein tolles Produkt für alle Sparer – insbesondere für die mehr als 15 Millionen Riester-Sparer, die steuerneutral und einfach in die neue Variante hätten wechseln können.

Doch dann kam alles anders. Und man kann fast schon sagen, dass es in der Folge filmreife Plots und Wendungen gab. Selten war das Thema „Altersvorsorge“ auch politisch so spannend. Wenn auch letztlich ohne „Happy End“.


Hier ein kurzer Abriss der Ereignisse:

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition schien die pAV-Reform tot zu sein, da es zwar einen Gesetzesentwurf aus dem BMF gab, aber noch keinen Kabinettsbeschluss. Und da die FDP ab dem 6. November nun mal nicht mehr Teil des Regierungskabinetts war, wollte sie den Gesetzesentwurf auch nicht mit den anderen Parteien im Kabinett abstimmen, um diesen dann letztlich in den Bundestag einzubringen. Alles zielte auf das „Diskontinuitätsprinzip“: Nicht beschlossene Gesetze müssen in der nächsten Legislaturperiode neu eingebracht werden. Das „Neu-Einbringen“ wäre ein schwerer Schlag gewesen, da es – je nachdem, wer nach den Neuwahlen regiert – bedeuten würde, dass die gesamten Vorschläge im pAV-Referentenentwurf (nach jahrelangen Diskussionen, Experten-Fokusgruppen und Abstimmungen mit Verbänden) komplett neu verhandelt werden müssten.

Entgegen aller Erwartungen wollte der neue Finanzminister Kukies den Gesetzesentwurf jedoch tatsächlich noch mit den Grünen abstimmen und in den Bundestag einbringen. Es hätte so eine – wenn auch kleine – Chance bestanden, dass der Entwurf entgegen aller Erwartungen doch noch zu einem Gesetz hätte werden können. Allerdings war die Zeit dafür sehr knapp.

Die frisch geschasste FDP war darüber allerdings nicht besonders amüsiert, denn sie sah ihren Gesetzesentwurf von der „Rest-Ampel“ als „gekapert“ an. Und angesichts miserabler Umfragen sucht die FDP natürlich dringend nach einem markanten politischen Profil, das sie ultimativ von der „Ampel“ differenziert. In diesen politischen Abnabelungstendenzen von den einstigen Koalitionspartnern wäre es aus Sicht der FDP kontraproduktiv gewesen, die Bemühungen von Kukies zu unterstützen, um in der Kürze der Zeit zusammen mit den beiden anderen Parteien das Gesetz noch durchzubringen. Dazu hätte es tatsächlich nur wenige Anpassungen bedurft, da weder SPD noch Grüne pauschal dagegen waren. Da aus Sicht der FDP harmonische Regierungsarbeit jedoch keine Wählerstimmen bringt, wurde das Gesetz – unüblicherweise – als Fraktionsentwurf (statt Kabinettsentwurf) in den Bundestag eingebracht. Also ohne Abstimmung mit den beiden verhassten Ex-Koalitionspartnern. Statt politisch Brücken zu bauen, um das dringend notwendige Reformprojekt durchzubringen, setzte man auf Konfrontation. Der FDP war klar, dass ihr Gesetzesentwurf damit tot war und die beiden anderen Parteien dem so nicht zustimmen würden.

Somit ist ein wirklich guter Gesetzentwurf für eine pAV-Reform, in den die FDP sehr viel Zeit, Arbeit und politische Mühe gesteckt hat, kurz vor der Umsetzung fallen gelassen worden – zugunsten des eigenen Profils.

Nach fast drei Jahren, in denen der Reformentwurf in der politischen Landschaft auf Umsetzung wartete, bleibt nicht viel mehr als ein wenig „FDP-Wahlkampf-Show“. Sehr, sehr schade. Aber so scheint Deutschland im Jahr 2024 nun einmal zu funktionieren.

Wie geht es weiter mit dem Altersvorsorgedepot und einer Reform der Riester-Rente?

Schwer zu sagen. Aber es hängt nun wohl an der CDU. Wir werden sehen, ob der CDU mehr an solider Regierungsarbeit liegt – oder ob auch hier die pAV-Reform nicht viel mehr ist als politische Verhandlungsmasse.

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