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Warum hohe staatliche Förderung für die Altersvorsorge oftmals zu weniger Rente führt

Das deutsche Altersvorsorgesystem überfordert die Bürger. Eine Studie hat nun untersucht, was verschiedene Vorsorgelösungen bringen. Fazit: Viel staatliche Förderung führt oft zu weniger Nettorente.

Wer nichts als die gesetzliche Rente hat, dem drohen im Alter schwere Einbußen beim Lebensstandard – je nach Einkommen während des Erwerbslebens sogar bis hin zur Altersarmut. Diese Erkenntnis hat sich bereits herumgesprochen. Doch was konkret sollte der Einzelne tun, um mit privater oder betrieblicher Altersvorsorge seinen Lebensabend abzusichern? Das deutsche Drei-Schichten-System ist für die meisten ein undurchdringliches Dickicht. Kaum einer kennt die Unterschiede und Nachteile von Riester, bAV & Co. Und angesichts ihrer Kompliziertheit haben auch immer weniger Sparer Lust, sich überhaupt mit der Altersvorsorge auseinanderzusetzen.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge in Zusammenarbeit mit der V.E.R.S Leipzig, einem Spin-off der Universität Leipzig, und myPension bringt erstmals Licht ins Dunkel. Sie vergleicht die unterschiedlichen Sparformen und beziffert, wie viel Euro zusätzliche Rente verschiedenen Musterkunden – Familie mit Durchschnittseinkommen, Normalverdiener-Single, Familie mit geringem Einkommen, selbstständiger Single mit Durchschnittseinkommen und Topverdiener-Single – unter Berücksichtigung verschiedener ökonomischer Szenarien und Annahmen zur Kostenstruktur der Anbieter bringen. Die Studie zeichnet ein differenziertes Bild, das den Bürgen bei ihren Sparentscheidungen hilft. Und sie zeigt, dass manche Vorsorgewege schwere Konstruktionsmängel aufweisen und für die meisten Menschen deshalb nicht zu empfehlen sind – obwohl sie millionenfach genutzt und vom Staat großzügig finanziell gefördert werden.

Untätigkeit zulasten der Bürger

Die Politik kennt die Probleme seit Jahren, reagiert und reformiert aber entweder gar nicht (Riester) oder schlecht (betriebliche Altersvorsorge). Es scheint, dass ideologische und politische Interessen stärker sind als eine sinnvolle und umfassende Neugestaltung der Altersvorsorgelandschaft in Deutschland. Oder dass schlichtweg der Mut fehlt, sich gegen gewachsene Interessenlagen durchzusetzen. Dadurch fehlt in vielen Bereichen der Wettbewerb um das für den Kunden beste Produkt, was letztlich nur die großen Anbieter in ihren komplexen und undurchdringbaren Strukturen vor Konkurrenz von außen schützt. Das Ergebnis: Die Verbreitung der privaten Altersvorsorge stagniert, Milliarden Euro der Sparer werden miserabel angelegt und die finanzielle Sicherheit von Millionen Menschen wird weiter gefährdet.

Das deutsche Fördersystem ist so komplex, dass selbst versierte Experten kaum sagen können, welches Produkt für wen geeignet ist. Erst recht nicht der Mann und die Frau von der Straße. Letztere haben immerhin über die Jahre ein Gefühl dafür entwickelt, dass sich die geförderten Altersvorsorgelösungen nicht rechnen und lassen das Vorsorgen lieber ganz bleiben. Denn die Zahl der Sparer stagniert. Die Studie bestätigt leider das Gefühl vieler Menschen, dass mit dem deutschen Altersvorsorgesystem etwas nicht stimmt: Die vermeintlich am stärksten geförderten Produkte schneiden am schlechtesten ab.

Beitragsgarantien vernichten Vermögensaufbau

Obwohl sie erwiesenermaßen im Negativzinsumfeld völlig nutzlos sind, müssen Anbieter immer noch Produkte mit Beitragsgarantie anbieten, was dazu führt, dass die teils üppige staatliche Förderung für den Sparer wirkungslos verpufft. Mit der zum Jahreswechsel anstehenden Rechnungszinssenkung werden Riester- und bAV-Produkte (zum Beispiel Direktversicherung oder Pensionskasse) still und heimlich beerdigt, da immer weniger Anbieter in der Lage sein werden, überhaupt noch Garantieprodukte anzubieten.

Beitragsgarantien, wie sie Teile der betrieblichen Altersversorgung und die Riester-Rente bieten, vernichten in Zeiten von Null- und Minuszinsen Milliarden, die den Sparern dann für einen sinnvollen Vermögensaufbau fehlen. Denn um die Garantie zu erfüllen, müssen die Produktanbieter die Beiträge am Anleihemarkt anlegen, der praktisch keine Erträge mehr bringt. Die ohnehin minimalen Garantieleistungen werden deshalb immer weiter abgesenkt. Und durch die teils üppige Förderung werden Sparer unnötigerweise in solche Produkte getrieben, die im aktuellen Marktumfeld schlichtweg nicht funktionieren.

In den meisten Fällen erweisen sich private, fondsgebundene Vorsorgelösungen ohne Beitragsgarantie als der effizienteste Weg, für das Alter vorzusorgen. Deren Anbieter sind frei, die Renditechancen der internationalen Aktienmärkte zu nutzen, und dessen Schwankungsrisiken relativieren sich angesichts des langen Anlagehorizonts der Altersvorsorge. Doch das Wissen über die Chancen und vermeintlichen Risiken dieses Wegs ist immer noch viel zu gering, weshalb viel zu wenige Menschen ihn nutzen. Nach wie vor schließen 86 Prozent der Sparer Produkte mit Garantien ab und tragen damit selbst dazu bei, dass sie im Alter schlechter dastehen.

Rollierende 30-Jahres-Wertentwicklung pro Jahr des MSCI World-Performanceindex seit Ende 1969 in Euro (im besten Fall 11,3 Prozent jährlich, im schlechtesten Fall 6,8 Prozent jährlich)

 

Staatliche Förderung verpufft wirkungslos

Das ist auch in der betrieblichen Altersvorsorge der Fall. Die Untersuchung belegt, dass sie für alle betrachteten Musterkunden und unter allen realistischen Szenarien schlechtere Ergebnisse liefert als die in absoluten Euro-Beträgen geringer geförderte private Rentenversicherung, sofern sie ohne Beitragsgarantie bespart wird. Den meisten Menschen ist daher leider aktuell zu empfehlen, auf die betriebliche Altersvorsorge zu verzichten und ihr Geld für bessere Optionen zu verwenden.

Dazu tragen neben der Beitragsgarantie vor allem aber auch Nebeneffekte der absurd komplexen Förderung bei. Denn über die Entgeltumwandlung in der bAV reduzieren Sparer ihre Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung. Und darüber hinaus besteuert der Staat bei Rentenbeginn auch noch das, was er während der Laufzeit an Förderung gewährt hat.

Die Riester-Rente schneidet in der Untersuchung nicht viel besser ab. Für fast alle Zielgruppen bringt auch hier eine private Rentenversicherung erheblich mehr Rente. Allein für Familien mit geringem Einkommen ist die Riester-Rente wegen der hohen staatlichen Zulagen attraktiv. Doch auch dort gilt, dass der finanzielle Nutzen wesentlich größer wäre, wenn nicht die Beitragsgarantie den Anbietern verbieten würde, rentabler anzulegen.

Musterberechnung für ein Ehepaar mit 2 Kindern (Normalverdiener): Riester-Rente vs. private Rentenversicherung (mit unterschiedlichen Kostenannahmen)

Die Basisrente (auch Rürup-Rente) führt zu besseren Ergebnissen. Während sie für Normalverdiener-Familien in den allermeisten Fällen weniger attraktiv ist als die private Rentenversicherung, kann sie für Selbstständige und Sparer mit hohem persönlichem Steuersatz durchaus interessant sein. Die Kehrseite ist, dass sie immense Nachteile bei der Flexibilität aufweist. Denn wer einmal Geld eingezahlt hat, kommt bis zur Rentenzahlung im Alter nicht mehr an sein Erspartes.

Kostenunterschiede von bis zu 50 Prozent

Nicht zu unterschätzen sind auch die Kosten der Produkte. Der Unterschied in der Studie zwischen einer kostengünstigen Variante, beispielsweise einer ETF-Police, und einer teuren Variante, beträgt zwischen 30 und 50 Prozent. Die Kosten tragen somit ebenfalls fundamental zu einer besseren Altersvorsorge bei. Für viele Sparer lohnen sich daher günstige, renditestarke ETF-Policen oftmals deutlich mehr als vermeintlich hoch geförderte, aber überteuerte und renditeschwache Produkte für den persönlichen Vermögensaufbau im Alter.

Dass die neue Bundesregierung geeignete Maßnahmen ergreift, um die anderen Vorsorgewege wieder attraktiver zu machen, ist nicht zu erwarten. Statt der notwendigen Entrümpelung wird an Parallelsystemen wie Staatsfonds gebastelt, um von den Mängeln des Drei-Schichten-Systems abzulenken. Die Bürger müssen darum in ihrem eigenen Interesse selbst aktiv werden und ihr Geld in die richtigen Kanäle lenken. Die Informationsbasis dafür liegt ihnen jetzt vor.

Die Studienergebnisse stehen hier zum Download zur Verfügung.

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